Getagged: Gisbert zu Knyphausen

Die beliebtesten Lieblingssätze 2018

Hurra und Tusch, die Lieblingssätze des Jahres stehen fest: der spannendste Romananfang, die schönste Songzeile sowie die beliebtesten Fundstücke, die 2018 im Museum der schönen Sätze dokumentiert beziehungsweise auf Facebook diskutiert wurden. Die Platzierung ergibt sich aus den Bewertungen in den Social-Media-Kanälen und im Blog. Vielen Dank an dieser Stelle für das motivierende Feedback und den regen Austausch der Museumsbesucher, Facebook-Fans und Twitter-Follower. Auf ein neues Jahr voller inspirierender Wörterminiaturen!
Weiterlesen

Nabelschnurstracks ins Herz

„Kaum ist die Nabelschnur ab, schon steh’n wir alle auf dem Schlauch.“

Gisbert zu Knyphausen: „Das Licht dieser Welt“ (0:45) auf Das Licht dieser Welt (2017).

Da ist er wieder. Wieder so ein Knyphausen-Satz. Anders als sein Name vermuten lässt – Gisbert Wilhelm Enno Freiherr zu Innhausen und Knyphausen, so viel Zeit muss sein – hat der Songwriter einen Hang zur poetischen Prägnanz. Er liebt das Sprachspiel wie er auch das Spiel mit musikalischen Stimmungen und Arrangements liebt. Er denkt Redewendungen weiter („Jeder Tag ist ein Geschenk, er ist nur scheiße verpackt.“), bringt wortschlau zusammen, was zusammengehört („Schenk du uns die Drinks ein, ich schütte dir mein Herz aus.“). Schenken, schütten. Geschenk, verpackt. Schnur, Schlauch. Ach, schön!

Geerdet vom Leben, diesem bipolaren Clown, gelingen ihm Zeilen, die man lange suchen muss bei den deutschsprachigen Songwriter-Kollegen. Hier gibt es sie zuhauf: auf dem herzfeurig herbeigesehnten dritten Album „Das Licht dieser Welt“. Mal philosophisch („Es dauert lang, bis man lernt, bis man lernt, ein Niemand zu sein.“), mal verschmitzt („Der Wind reißt an den Kiefern, die Musik an deinen Speakern.“), mal melancholisch („Meine Zeit, sie ging so schnell/Und dabei lauf‘ ich schon so lang/Auf meinem Weg Richtung Unendlichkeit/Ist schon eine Ewigkeit vergangen.“). Und meist zum Niederknien. Chapeau!

Lieblingsplatten 2017

Subjektiv. Unvollständig. Ehrlich. Hier die persönliche Top Ten mit meinen Lieblingsplatten 2017. Einige Künstler sind mit ihren Songzeilen im Museum der schönen Sätze vertreten. Hörenswert sind sie alle. Sätze wie Platten.

  1. Kettcar: Ich vs. Wir
  2. Bilderbuch: Magic Life
  3. Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi: Das nullte Kapitel
  4. Spoon: Hot Thoughts
  5. Conor Oberst: Salutations
  6. Nothing But Thieves: Broken Machine
  7. Gisbert zu Knyphausen: Das Licht dieser Welt
  8. Royal Blood: How Did We Get So Dark?
  9. Candelilla: Camping
  10. Tom Schilling & The Jazz Kids: Vilnius

Ewige Treue, leider enttäuschend: Weezer: Pacific Daydream

Lieblingsgäste (1): Tino Geßner

Tino GeßnerDas Museum der schönen Sätze wächst: In der neuen Sammlung „Lieblingsgäste“ kommen die Besucher zu Wort und präsentieren ihre persönlichen Lieblingssätze aus Literatur, Pop und eigenen Werken. Den Auftakt macht Tino Geßner. Der „Lebens-/Welt- und Gedankenreisende“, wie er sich selbst nennt, hat eine Vorliebe für die Texte junger deutscher Songwriter. Die Veröffentlichung seines Romans ist in Vorbereitung. Weiterlesen

Jeder Satz ist ein Geschenk

„Jeder Tag ist ein Geschenk, er ist nur scheiße verpackt.“

Kid Kopphausen: „Das Leichteste der Welt“ (1:36), auf: I (2012).

Wenn die Sätze nicht so schön wären, die einem beim Hören dieser Platte um die Ohren wehen, es wäre einfach nur zum Heulen. Da tun sich zwei Musiker und Sänger zusammen, auf die Hamburg, ach was Norddeutschland, ach was Deutschland, ach was weiß ich, wer sonst noch, stolz sein sollte; da vereinen sich der auf Melancholie-Wolke sieben schwebende Songwriter Gisbert zu Knyphausen und der Maler und ehemalige Fink-Poet Nils Koppruch, um uns als Kid Kopphausen „Blumen vom Arsch der Hölle“ mitzubringen, wie sie dichten; und was passiert, als man sich unsterblich verknallt hat in dieses schwelgerisch-schöne Folk-Pop-Album „I“? Nils Koppruch stirbt im Alter von 46 Jahren.

Zwei Monate ist das nun her, und natürlich hört man die Songs seitdem – es mag inzwischen der vierundvierzigste Durchlauf sein – mit gemischten Gefühlen. „Das Leichteste der Welt“? Welch Ironie! Dennoch soll hier eine bitter-fröhliche Zeile gewürdigt und ins Museum der schönen Sätze aufgenommen werden, die die Hoffnung im Schmerz zum Ausdruck bringt: „Jeder Tag ist ein Geschenk, er ist nur scheiße verpackt, und man fummelt am Geschenkpapier rum und kriegt es nur mühsam wieder ab.“ Also los, Freunde, zerfetzt das Papier und pflückt den Tag! Denn die Zeit ist ein Halunke.

PS: Never mind the darkness, Nils, you will be saved by Rock’n’Roll!

Gisbert zu Herzhausen

„Schenk du uns die Drinks ein, ich schütte dir mein Herz aus.“

Gisbert zu Knyphausen: “Erwischt” (1:03), auf: Gisbert zu Knyphausen (2008).

Erwischt! Es müssen Dutzende, ach was, Hunderte Drinks gewesen sein, die dem Wahlberliner aus dem hessischen Rheingau eingeschenkt wurden. Gemessen daran, wie offenherzig Gisbert zu Knyphausen Liedtexte schreibt, müssen er und seine Muse ein trinkfestes Gespann sein.

Hin und wieder liest man von Bezügen zu Element of Crime. Das ist natürlich Quatsch, und fast ist man geneigt, den Vorschlaghammer rauszuholen. Denn wenn Sven Regener vom Leben gezeichnet ist, ist Gisbert zu Knyphausen vom Leben skizziert. Mit Verlaub, aber der Mann, Jahrgang 1979, ist zu jung für Gräben im Gesicht und Furchen in der Seele. Gleichwohl verbindet die beiden Geschichtenschnodderer die Magie der Poesie. Und wenn man schon nach Orientierung sucht: Im schönen neuen Feld der jungen deutschen Songwriter ist Gisbert Wilhelm Enno Freiherr zu Innhausen und Knyphausen wohl am ehesten zwischen Philipp Poisel, Axel BosseNobelpenner und Niels Frevert zu verorten. Irgendwo und doch weit vorn. Hatten wir schon, macht aber nix.

Melancholie zu Knyphausen

„Fick dich ins Knie, Melancholie, du kriegst mich nie klein.“

Gisbert zu Knyphausen: „Melancholie“ (2:58), auf: Hurra! Hurra! So nicht. (2010).

Sagt der, dessen stärkste Muse Melancholie heißt. Aber so ist er, der Herr von und zu: Bloß nicht zu einfach denken. Simpel sind Männer, simpel ist Fußball, nicht aber das Leben. Das hat der Wahlberliner aus dem hessischen Rheingau längst erkannt. Und pflegt sein Faible für die komplizierte Welt. Für den Müll des Lebens und die Schmerzen im Herzen. Er vertont die Hasslieben des Lebens.

Hin und wieder liest man in diesem Zusammenhang von Bezügen zu Element of Crime. Das ist natürlich Quatsch, und fast ist man geneigt, den Vorschlaghammer rauszuholen. Denn wenn Sven Regener vom Leben gezeichnet ist, ist Gisbert zu Knyphausen vom Leben skizziert. Mit Verlaub, aber der Mann, Jahrgang 1979, ist zu jung für Gräben im Gesicht und Furchen in der Seele. Gleichwohl verbindet die beiden Geschichtenschnodderer die Magie der Poesie. Und wenn man schon nach Orientierung sucht: Im schönen neuen Feld der jungen deutschen Songwriter ist Gisbert Wilhelm Enno Freiherr zu Innhausen und Knyphausen wohl am ehesten zwischen Philipp Poisel, Axel Bosse, Nobelpenner und Niels Frevert zu verorten. Irgendwo und doch weit vorn. Was soll noch kommen? Herr Knyphausen bitte:

„Und so wie es war, soll’s nie wieder sein, so wie es ist, darf’s nicht bleiben, und wie es dann wird, kann vielleicht nur der bucklige Winter entscheiden.“ (1:55).