Selbst schreiben
Gepflückt aus Wolfgang Herrndorf: „Stimmen“ (2018).
Gepflückt aus Wolfgang Herrndorf: „Stimmen“ (2018).
„Ich bin, ich bin /
Na, wie gehts denn weiter? /
Kein So-tun-als-ob, nur als ob nix dabei war /
Ein klitzekleiner witzgescheiter Geistesblitzableiter.“
Dendemann: „Ich dende, also bin ich“, auf Da nich für (Vertigo Berlin 2019)
„Ich dende, also bin ich“, rappt Dendemann am Anfang seiner neuen Platte. Und zeigt damit einmal mehr, dass er lieber mit philosophischen Fragen und Wortarchitekturen spielt, als eine Streetcredibility und Präpotenz zu bebrüllen, die schon den vielen Kollegahs keiner abkauft, der das Leben nicht nur aus YouTube kennt. Klar, der Hamburger, Jahrgang 1974, ist mit seinem vergnüglichen, sprachfixierten, schelmenpoetischen Ansatz nicht allein in der nun auch schon drei Jahrzehnte überspannenden blühenden Deutsch-Rap-Szene. Käptn Peng und Marteria, die späten Fantastischen Vier, Blumentopf (RIP) und einige mehr schlagen mit großem Vergnügen bei guten Haltungsnoten Purzelbäume auf der Wortweide. Rhythmische Grammatik-Gymnastik, die der abgehangenen Hip-Hop-Turnerschaft mehr Kraft und Vitalität beschert als markige Protz-Recken mit standardisiertem Wortzirkeltraining. Von witzgescheiten Geistesblitzableitern, die sich selbst als klitzeklein bezeichnen und doch so groß sind, kann kaum einer je genug kriegen, der lieber Sätzen als Menschen Schönheitspreise verleihen möchte.
Gepflückt aus einem Notizbüchlein. Kein & Aber Verlag.
Hurra und Tusch, die Lieblingssätze des Jahres stehen fest: der spannendste Romananfang, die schönste Songzeile sowie die beliebtesten Fundstücke, die 2018 im Museum der schönen Sätze dokumentiert beziehungsweise auf Facebook diskutiert wurden. Die Platzierung ergibt sich aus den Bewertungen in den Social-Media-Kanälen und im Blog. Vielen Dank an dieser Stelle für das motivierende Feedback und den regen Austausch der Museumsbesucher, Facebook-Fans und Twitter-Follower. Auf ein neues Jahr voller inspirierender Wörterminiaturen!
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Subjektiv. Unvollständig. Ehrlich. Hier die persönliche Top Ten meiner Lieblingsbücher, die ich 2018 gelesen habe. Einige davon haben es mit ihren ersten Sätzen ins Museum der schönen Sätze geschafft. Lesenswert sind sie alle. Sätze wie Bücher. Bonus: mein Fazit der Tom-Robbins-Festspiele „Robbins Reloaded 17/18“.
Subjektiv. Unvollständig. Ehrlich. Hier die persönliche Top Ten mit meinen Lieblingsplatten 2018. Einige Künstler sind mit ihren Songzeilen im Museum der schönen Sätze vertreten. Hörenswert sind sie alle. Sätze wie Platten.
Lustigste Überraschung: Art Brut: Wham! Bang! Pow! Let’s Rock Out!
Schönstes Weihnachtsalbum: Claudia Koreck: Weihnachtsplatte
„Lebenskunst ist die Kunst des richtigen Weglassens.“
Coco Chanel, irgendwann
„Lass alles weg, was du nicht kannst – dann bist du gut.“
Martin Walser, 2018
„Als ich nach Las Vegas geflogen bin, ist mir aufgefallen, dass es so klingt wie der Imperativ: Lass weg, Haas!“
Wolf Haas, 2018
Aus: Alexander Kluge im Gespräch mit dem Süddeutsche Zeitung Magazin, November 2018.
„Wir saßen draußen auf den Feldern in der Sonne wie zwei Spatzen oben auf einer Telefonleitung, durch die nur angenehme Gespräche laufen.“
Günter Ohnemus: „Oh, But California“ in „Die letzten großen Ferien“. Maro, 1993
Die Spatzen sollten es längst von den Telefonleitungen pfeifen: Bei der hübschen Indiebookchallenge geht es darum, in jeder Woche des Jahres ein Buch aus einem unabhängigen Verlag zu lesen. Als ich gefragt wurde, die Patenschaft für eine Woche zu übernehmen, zögerte ich keine Sekunde, schlichtweg, weil ich ein großes Herz für die Kleinen habe. Mein Motto für die Woche von 4. August 2018 an lautet: „Lies ein Buch mit einer Illustration auf dem Umschlag.“ Et voilà, meine Empfehlung ist die Kurzgeschichtensammlung „Die letzten großen Ferien“ (Maro, 1993) von Günter Ohnemus.
„Ich zerlatsch den Tag stundenlang im Park, fahrig und verwirrt, bis es dunkel wird.“
Isolation Berlin: „Serotonin“, auf Vergifte dich (Staatsakt 2018)
Den Namen Tobias Bamborschke sollte man sich merken. Er schreibt Songs mit perlenden Texten, Gedichte mit glücksgiftigen Zeilen. Als wollte Peter Doherty Charles Bukowski nacheifern, musengeküsst im Suff, rhythmisch, derb, lyrisch frei, geht er den Weg des wütenden Romantikers beim exzessiven Scheitern. Bamborschke war es, der mich zu einem Plädoyer für mehr Poesie im Pop inspiriert hat, das unter dem Titel Pferde stehlen mit Helene in der Süddeutschen Zeitung erschienen ist.