Wortkompositionen wie Arthousekopfkino

„Altvater Schuppenwurz wacht aus dem Stand weitflächig auf, streift pechdunkle Traumreste ab, die glitzern vor feuchten Kehrichtklumpen.“

Max Porter: „Lanny“. Kein & Aber, 2019

Altvater Schuppenwurz? Who the fuck is Altvater Schuppenwurz? Das Staunen im ersten Satz geht weiter. Weitflächiges Erwachen, pechdunkle Traumreste, Wortkompositionen wie Arthousekopfkino. Den einen mag der Formulierungsrausch verstören, den anderen betören wie magische Pilzpartys. Wer da kieselsteinklimpernd lockt, ihm in seine Geschichte über einen sagenhaften Gestaltenwandler, dessen Dorf und seine geschwätzigen Bewohner zu folgen, hinein in eine traumwandlerische Familiengeschichte zwischen Mythen und Moderne, ist Max Porter. Der Engländer, Jahrgang 1981, ist ein Prosapoet mit tief verwurzeltem Naturtalent, einer, der dem Gedicht immer ein paar Buchstaben näher ist als der Prosa.

In Lanny, seinem zweiten Roman nach dem Überraschungshit „Trauer ist das Ding mit Federn“, komponiert er bachplätschernde Wörtermelodien, stilsicher, grashalmfein und anders als das meiste, das in mehreren Sprachen um die Welt geht (aus dem Englischen von Uda Strätling und Matthias Göritz). Das zeigt sich auch im Formalen, das Satzbögen und Fettgedrucktes ebenso einschließt wie twitterähnliche Kurzparagrafen mit Perspektivwechseln im Ping-Pong-Takt. „Lanny“, dieses in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche und eigensinnige Buch, handelt von Lanny, dem wunderlichen und naturverbundenen Jungen eines ehemaligen Städter-Pärchens. Sein plötzliches Verschwinden versetzt das Dorf in einen Ausnahmezustand. Aber es gibt ja noch Altvater Schuppenwurz, der sich seit seinem weitflächigen Erwachen zu einer Jahrhundertanstrengung aufschwingt, und irgendwie hängt ja sowieso alles zusammen.