Getagged: Musik
Friebe sei mit euch
„Nackte Angst, zieh dich an, wir gehen aus.“
Jens Friebe: „Nackte Angst, zieh dich an, wir gehen aus“ (0:45), auf: Nackte Angst, zieh dich an, wir gehen aus (2014).
Es gibt Pop-Alben, die sind nicht zu fassen. Weil sich die Texte als poetische Perlenketten entpuppen, deren Schönheit man nur erahnen kann, schon sind sie einem wieder entglitten. Nun ist Jens Friebe nicht dafür bekannt, in Speed-Metal-, Battle-Rap- oder Shouter-Manier Textlawinen rauszuhauen – im Gegenteil entwickelt sich der Autor und Songwriter zunehmend zum Chansonier unter den Indie-Elektro-Poppern. Er nimmt sich die Zeit, die Eleganz braucht. Und doch verklingen die feinsten seiner Zeilen viel zu schnell. Weiterlesen
Die beliebtesten Lieblingssätze 2014
Die Lieblingssätze des Jahres stehen fest. Zur Wahl standen die fünfzehn beliebtesten Romananfänge, Songzeilen und Fundstücke, die es 2014 ins Museum der schönen Sätze geschafft haben. Bis zum 9. Januar 2015 haben knapp 200 Leser abgestimmt. Überraschung (oder auch nicht): Wolfgang Herrndorfs letzter erster Satz hat mit Abstand gewonnen. Herzlichen Glückwunsch. In memoriam Schreibgenie. Weiterlesen
Lieblingsplatten 2014
Subjektiv. Unvollständig. Ehrlich. Hier die persönliche Top Ten mit meinen Lieblingsplatten 2014. Ein paar davon haben es mit ihren Songzeilen ins Museum der schönen Sätze geschafft. Hörenswert sind sie alle. Sätze wie Platten.
- Jack White: Lazaretto
- Ja, Panik: Libertatia
- Conor Oberst: Upside Down Mountain
- Jens Friebe: Angst, zieh dich an, wir gehen aus
- Weezer: Everything Will Be Right In The End
- Damien Rice: My Favourite Faded Fantasy
- Alt J: This Is All Yours
- Tweedy: Sukierae
- The Smashing Pumpkins: Monuments To An Elegy
- AC/DC: Rock Or Bust
- Soundtrack des Jahres: Wish I Was Here
- Newcomer des Jahres: Bilderbuch: Feinste Seide (EP)
Schmerzens-angelegenheiten
- „If i had tried to make you mine / You would’ve walked away / Life can’t compete with memories / That never have to change.“ („Artifact #1“)
- „Freedom is the opposite of love.“ („Lonely At The Top“)
- „It ain’t perfect / Nothing is / There is still room to grow“ („Double Life“)
- „I’m blessed with a heart that doesn’t stop.“ („Zigzagging Toward The Light“)
- „Home is a perjury, a parlor trick, an urban myth“ („Zigzagging Toward The Light“)
- „Love was the message, full stop.“ („Hundred Of Ways“)
Conor Oberst, auf: Upside Down Mountain (2014).
Conor Oberst ist so einer. Einer, der Lyrik vergoldet. Leider auch Lyrik vergeudet, und das ist das Problem. Ein Luxusproblem, freilich. Der Indie-Folk-Heiland aus Omaha packt derart viele Lieblingssätze in seine textreichen Songs, dass sie bisweilen untergehen in der Flut aus musikalischer Ekstase und rauschhafter Katharsis. Mitunter auch im Live-Genuschel. Dabei sind seine Worte mindestens brillant, weil stark verdichtet, bildhaft und von zauberhafter Poesie. Egal ob auf Bright Eyes-Platten oder, wie zuletzt, auf seinen Soloalben. Für seine Schmerzens-angelegenheiten muss man Oberst lieben. Wenn seine Sehnsuchtsstimme flattert, ist es im Publikum still wie im Herz eines Ungeliebten.
Absolute Näsler
„Denn im Großen und im Ganzen haben wir allen Grund zum Tanzen.“
Jan Delay: „St. Pauli“ (1:21), auf: Hammer & Michel (2013).
Jan Delay ist ein Spaßvogel, besser gesagt: eine Spaßbiene. In der aktuellen Size-Zero-Kinoversion der Biene Maja spricht der Hamburger Hip-Hop-Näsler den Willi, was selbstverständlich hervorragend passt, weil Majas bester Freund schon in der Originalfassung (Eberhard Storeck, der auch Snorre aus „Wickie und die starken Männer“ synchronisierte) sprechzischt, als wäre er an der Seite von Delay in der Urformation seiner Absoluten Beginner groß geworden. Zwar kann Willi schon mal ein miesepetriger Schisser sein, und doch verbindet die beiden eine gewisse lebensbejahende Einstellung zum Großen und Ganzen. Grund zum Tanzen finden sie immer. Ob Willi allerdings auf St. Pauli fliegt, darf bezweifelt werden. Er ist ja eher so der Landbrummer.
Wortweiden statt Stilblüten
„Vor meiner Tür blüht eine Wiese aus Mittelfingern, doch ich lach mir in die Faust und lasse endlich wieder Licht ins Zimmer.“
Flo Mega: „Hinter dem Burnout“ (1:18), auf: Mann über Bord (2014).
Wer Alpha sagt, muss auch Omega sagen, in diesem Fall Flomega. Flo Mega. So nennt sich der Bremer Florian Bosum, der nicht nur die Spielarten von Hip-Hop und Soul aus dem Effeff beherrscht, sondern auch die Feinheiten der deutschen Sprache von A bis Z. Poetische, bildhafte, schelmische Zeilen erblühen in seinen Songs. Keine Stilblüten, eher Wortweiden. Wie in der Single Zurück von 2010: „Ich bin zurück von dort, wo der Pfeffer wächst.“ Auch auf dem aktuellen, zweiten Studioalbum „Mann über Bord“ lassen sich Sätze zum Verlieben pflücken. Den hier zum Beispiel: „Hinter dem Burnout liegt das Paradies, ich hab es gesehen, es ist schöner als Paris.“ Wachsen soll eine Wiese aus Daumen. Nach oben, natürlich.
Mehr als eine Eintagsliebe
„Oh mein Gott dieser Himmel, wie komm ich da bloß rein, oh mein Gott dieser Himmel, wo zur Hölle soll das sein?“
Marteria: „OMG!“ (1:19), auf: Zum Glück in die Zukunft II (2014).
Der Weg in den Himmel führt beizeiten durch die Hölle. Marten Laciny musste erst Fußballer und Model werden, ehe er seine wahre Berufung zum Beruf gemacht hat: Seit Jahrtausendbeginn spielt der Wahl-Berliner aus Rostock nicht mehr mit Bällen und Blicken, sondern mit Worten. Ob Hansa Rostock oder die Modebranche höllische Qualen für ihn bereithielten, sei einmal dahingestellt. Fest steht: Als Rapper macht der Hip-Hop-Nerd, Jahrgang 1982, eine durch und durch glänzende Figur. Reimt sich ein in die Reihe schlauer Beatpoeten wie Peter Fox und Käptn Peng.
Bei seinen Texten zeigt Laciny, der gerade als Marteria durchstartet, dass er ein enger Freund kreativer Formulierungen ist: So heißt ein Song seiner neuen Platte „Eintagsliebe“, ein anderer „Die Nacht ist mit mir“. Und auch die Namen seiner bisherigen Alben ziehen Sprachschelmen die ohnehin höhergelegten Mundwinkel nach oben: „Halloziehnation“ (2006), „Base Ventura“ (2007), „Zu zweit allein“ (2008), „Zum Glück in die Zukunft“ (2010). Gut möglich, dass er seinen Wortspieltrieb nicht immer unter Kontrolle hat, ich kenne das aber warum sollte er? Er war und ist ein Spieler, und Spielern steht der Himmel offen.
Utopie statt Barbarie
„Ich wünsch‘ mich dahin zurück, wo’s nach vorne geht, ich hab‘ auf Back To The Future die Uhr gedreht.“
Ja, Panik: „Libertatia“ (0:05), auf: Libertatia (2014).
Zeit im Pop ist so eine Sache. Der Pop hat keine Zeit, aber zeitlos ist er nicht. Vielmehr poppt er auf, im Hier und Jetzt, um sich bald darauf wieder zu schleichen. Das war früher auch nicht anders. Ja, Panik, diese betörenden Politpop-Burschen aus Wien Berlin, drehen wahlweise am Rad oder an der Uhr. Auf ihrem neuen Album entführen sie uns an einen Ort jenseits von Zeit und Raum, den sie Libertatia nennen, angelehnt an eine mögliche anarchistische Kolonie im 17. Jahrhundert in Madagaskar. „One World, one Love, no Nations“, sehnsüchteln sie und träumen von einer Politik jenseits der erfundenen Gemeinschaften. „Space is the place, der die Flüchtigen liebt.“ Rückblick, um nach vorne zu kommen, heißt die Devise; Vision statt Kapitulation die nächste Stufe der Band-Evolution. Utopie statt Barbarie.
Wie schnelllebig das ganze Popdings ist, sieht man daran, dass Ja, Panik inzwischen nur noch zu dritt sind. Was bleibt, ist die famose Singsprech-Performance des Hauptakteurs Andreas Spechtl, der noch immer (zeitlos?) Deutsch, Englisch und Österreichisch zur stärksten Wiener Melange verquirlt, die es in Kaffeehäusern nicht gibt. Kostprobe? Bitte, gerne:
Ich hab’s probiert, man sagte mir: Lass es! Now i smash empty glasses! („Barbarie“)
Hatten wir schon, macht aber nix. Nicht schlecht, Herr Spechtl!
Lieblingsgäste (12): Stefanie Herzog
In der Sammlung „Lieblingsgäste“ kommen die Besucher zu Wort und präsentieren ihre Lieblingssätze aus Literatur und Pop. Im zwölften Teil entführt uns Stefanie „Stuffi“ Herzog in ihre musikreiche Welt. Deutschsprachige Autoren, Songwriter und Bands geben hier den Ton an, darunter Nagel, Kettcar und Sven Regener. Stuffi selbst schreibt für das Indie-Magazin „Schallhafen“, wo sie als „Genie in allen Ablenkungs-Angelegenheiten“ vorgestellt wird. Ferner heißt es, die Autorin sei „musikverehrend“ und „ollischulzvergötternd“.
Die beliebtesten Lieblingssätze 2013
Die Lieblingssätze des Jahres stehen fest. Zur Wahl standen die sieben beliebtesten Romananfänge und Songzeilen, die es 2013 ins Museum der schönen Sätze geschafft haben. Bis zum 6. Januar 2014 haben mehr als 100 Leser abgestimmt. Überraschung (oder auch nicht): Ein Autor konnte sich gleich zwei Mal weit oben in der Liste platzieren. Weiterlesen