Wiegeschritte zur Erleuchtung
„Es war ein strahlender Tag zu Beginn des Frühlings, sanft wie ein Weidenkätzchen, alles taute und schmolz, und die Jungvermählten fuhren in einem großen Truthahn quer durchs Land.“
Tom Robbins: Salomes siebter Schleier. Rowohlt, 1992 (im Original „Skinny Legs And All“, 1990).
Es gibt mehr als sieben Gründe, Tom Robbins als Schreibgott zu verehren. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, muss man noch nicht einmal den alles verändernden Schleiertanz der Frau mit den Storchenbeinen erblickt haben, der in Robbins‘ fünftem Roman den einen oder anderen New Yorker der Erleuchtung ein paar Wiegeschritte näher bringt (wenn er oder sie nicht gerade vom Super Bowl-Spektakel abgelenkt wird). Seine Werke sind allzeit gut gelaunte, philosophisch besoffene, auf natürliche Art feministische, kindlich verspielte, rauschhaft kichernde, wortwitzig kreative, historisch ausufernde Geschichten-Purzelbäume über Liebe, Sex, Religion, Unsterblichkeit. Und wie das alles zusammenhängt. Vom Mikro- zum Makrokosmos, von einer Bohnendose zum Israel-Konflikt, von einer schmutzigen Socke zur universellen Gelassenheit – Robbins ist der grübelnde Clown im Lebenszirkus, ein idiot savant, das Grübchen im Gesicht der unbekannten Gottheit. Seine unerschöpfliche Freude an tollkühnen Metaphern, die sich schon mal über eine halbe Seite erstrecken, macht ihn zum Lehrmeister der Kreativitätstheorie, zum Floskelkiller des Immergleichen. Seine Ideen sind mitunter so verrückt, als stammten sie von bisexuellen Meistermusen auf LSD-Trip durch eine gewittrige Vollmondnacht.
Schon der erste Satz seines Romans über den Israel-Konflikt und die Frage, was ein liebestolles amerikanisches Künstler-Paar und ein paar unbelebte Objekte mit Jerusalem und Salome zu tun haben, weist den Weg. Sanft wie ein Weidenkätzchen, wie hübsch liest sich das, und was, zur Hölle, hat es mit dem fahrenden Truthahn auf sich? Weiterlesen garantiert. Garantiert großer Spaß. Ein bisschen Erleuchtung gibt’s obendrauf:
Hier geht’s zur Rezension über Tom Robbins‘ Memoiren, die ich für die Süddeutsche Zeitung geschrieben habe.