Käptn Pengs wahre Lügen
„Dieser Satz ist eine Lüge.“
Robert Gwisdek: Der unsichtbare Apfel. KiWi, 2014.
Dieser Satz ist ein Paradoxon. Und zwar ein besonders hinterlistiges. Denn wenn die Behauptung der Lüge gelogen ist, dann umkreist der Satz eine Wahrheit, oder nicht? Wegen Gedankenirrwegen wie diesen zählt die Formulierung zu den absoluten Lieblingssätzen von Robert Gwisdek. Dass der Realitätsrüttler aus Berlin nicht nur philosophische Hip-Hop-Miniaturen beherrscht, sondern auch in der Königsdisziplin Roman eine formidable Figur macht, bekräftigt er mit seinem irrwitzigen Debüt „Der unsichtbare Apfel“.
Darin präsentiert der 30-Jährige einen Jungen, der sich Igor nennt (in dem Namen seines Protagonisten sollten die 1 und die 0 sowie die Initialen des Autors enthalten sein); ein Wunderkind, das Kreise liebt und die Endlichkeit anzweifelt. Mit Wortwucht und schelmischer Freude am Experimentieren schildert Gwisdek Igors Reise aus der Realität, die wir normal nennen; spinnt eine Geschichte mit Perspektiven- und Weltenwechseln, die gespickt ist mit Rätseln und Symbolen. „Der unsichtbare Apfel“ ist eine Parabel auf das reine Bewusstsein, auf die Überwindung von Gedanken und Formen. Dass der Autor seinem wahnsinnigen Ritt eine scheinbare Lüge als Intro voranstellt, passt exzellent ins Konzept. Zumal er im zweiten Intro auf der nächsten Seite das Gegenteil nachreicht: „Dieser Satz ist wahr.“ Zur (kurzzeitigen) Entspannung des Lesers präsentiert er uns einen offiziellen ersten Satz, der vergleichsweise harmlos daherkommt: „Igor war ein unkonzentriertes Kind.“
Hier geht’s zum Interview, das ich mit Robert Gwisdek für die SZ geführt habe.