Leidfaden zum Glück

„Tut mir leid, dass Du es ausgerechnet von mir erfährst, aber Du wirst nie glücklich sein.“

Joey Goebel: „Vincent“. Diogenes, 2005

Joey Goebel eröffnet seinen Debütroman mit einem Brief, den der Ich-Erzähler dem titelgebenden Jungen schrieb, als er sieben war. Einem Schüler diesen Satz zu widmen, ist heftig. Einen Roman mit diesem Satz zu beginnen, ist herrlich. Und genau aus diesem Spannungsfeld zwischen heftig und herrlich, zwischen Unglück und Glück, zieht der Schriftsteller die Kraft für seine Romane.

Goebel, geboren 1980 in Kentucky, ist in gewisser Weise der Benedict Wells der USA. Beide verbindet das große Thema der Einsamkeit der Außenseiter. Beide ergründen in ihren Büchern den Schmerz in vielen Facetten. Beide können nicht ohne die Bipolarität des Lebens, keine Komödie ohne Tragödie, keine Euphorie ohne Melancholie. Beide schrieben vier Romane, ehe sie einen Kurzgeschichtenband veröffentlichten. Beide publizieren bei Diogenes, zumindest im deutschsprachigen Raum. Und nicht zuletzt: Beide stehen auf erste Sätze.

Es erstaunt deshalb nicht, dass die Kernthese von Goebels Künstlerroman und Mediensatire „Vincent“ auch Wells stark fasziniert („eine der besten und originellsten Ideen (…), die ich je in einem Buch las“). Die fesselnde Geschichte fußt auf der Annahme, dass nur der unglückliche, leidende Künstler ein guter Künstler ist (Originaltitel des Romans: „Torture The Artist“). Der Ich-Erzähler, Harlan, ist ein sogenannter „Beschützer“, ein Manager, der dafür sorgt, dass kleine Genies wie Vincent nie zu viel Glück erfahren. Sie greifen ein in deren Leben, manipulieren und lügen, damit ihre Schützlinge große Kunst erschaffen, Kunst, die im Sinne des Unternehmens „New Renaissance“ zum Mainstream wird.

Tut mir leid, liebe Leser, dass Sie es ausgerechnet von mir erfahren, aber Sie werden ohne diesen Roman nie glücklich sein.