Wann ist ein man ein Mann?
„An dem Abend, an dem drüben in Amerika die Challenger über Cape Canaveral explodiert, liegt man zum ersten Mal mit einem Mädchen im Bett.“
Thomas Glavinic: Wie man leben soll. dtv, 2004.
An dem Abend, an dem drüben in Sachsen-Anhalt der Prozentbalken der AfD explodiert, bekommt man zum ersten Mal ein Buch von Thomas Glavinic in die Hand. Ein Freund hat es einem empfohlen, und da man seit Jahren eine unbändige Lust an österreichischen Wortkünstlern verspürt, lässt man sich auf das Abenteuer ein. Abenteuer deshalb, weil der preisdekorierte Grazer in seinem gescheiten Coming-of-Age-Schelmenstück eine Erzählform wählt, für die Autoren in der Regel nur eines übrig haben: Nase rümpfen nämlich. Man kann es sich nicht vorstellen, wie der das durchhalten soll, immer nur von man zu schreiben. Man will es sich nicht vorstellen, doch schnell sieht man ein: Diese Manhaftigkeit in Anlehnung an orientierungsfördernde Lebensratgeber lässt man sich gerne gefallen. Und folgt Charly Kolostrum, diesem dicklichen Außenseiter mit Brille und Problemfamilie, durch sein junges, von Frauen und viel mehr Ahnungslosigkeit bestimmtes Daseinsexperiment.
Wie herrlich absurd Glavinics Sound klingt, zeigt sich direkt im ersten Satz, einem erst auf den zweiten Blick faszinierenden Exemplar. Mal ehrlich: Kein Mensch ohne Therapieplatz würde von „man“ sprechen, wenn er mit einem Mädchen ins Bett steigt. Wenn dann schon von Mann. Aber wohl gerade deshalb kann eine unwiderstehliche Ambivalenz entstehen, die einen durch den Roman trägt. Eine Nähe auf Distanz, wie man sie lange suchen muss in der deutschsprachigen Gegenwartsschmunzelliteratur.
Merke: Wenn man eine gute Geschichte hat, muss es nicht unbedingt der präpotente Ich-, der scheue Du-, oder der überstrapazierte Er/Sie-Erzähler sein. Man kann das auch.