Getagged: Fundstücke
Tauchgang im Froschteich
Aus Tom Robbins: „Chop Suey“, 2007.
Das Leben ist ein Versandkatalog
Vea Kaiser in der Zeitschrift NEON, 2015.
Smalltalkender Allesversteher
Aus: Einzlkind: „Billy“ (2015)
Schöne Aussicht
Aus dem Song „Endlich Unendlich“ (2013) von Megaloh (gepflückt aus der Zeitschrift „NEON“).
Im Zweifel für den Zweifel
Gin mit Golightly
Blaulicht im Rotlicht
„Weil du kennst als Blaulicht dein Rotlicht.“
Wolf Haas: Brennerova, Hoffmann und Campe, 2014.
Jetzt ist schon wieder nix passiert. Ob du es glaubst oder nicht, aber auch der achte Brenner-Fall kommt ohne die kultisch verehrte Eröffnung aus, die Wolf Haas in den späten Neunzigern zum Popstar unter den Krimischreibern gemacht hat. Passieren tut freilich schon etwas, viel sogar, frage nicht. Frauendilemma Hilfsausdruck. Und Lieblingssätze haut er auch wieder raus, der Leser-Duzer namens Erzähler. Da braucht man sich nur das obige Beispiel anzuschauen. Nur halt nicht ganz zu Beginn, wobei „Früher hat man gesagt, die Russinnen“ gar nicht mal so schlecht ist. Für den Anfang. Und Lieblingswörter! Jede Menge. Frauentränenumfaller. Solche Sachen. Mehr über „Brennerova“ habe ich für die SZ aufgeschrieben. Quasi Buchtipp. Und hier geht’s zu meinem Porträt über Wolf Haas, ebenfalls erschienen in der Süddeutschen Zeitung.
Erschienen am 16. Oktober 2014 in SZ Extra, der Kulturbeilage der Süddeutschen Zeitung. Weitere Einträge zu Wolf Haas im Museum der schönen Sätze: hier.
Käptn Pengs wahre Lügen
„Dieser Satz ist eine Lüge.“
Robert Gwisdek: Der unsichtbare Apfel. KiWi, 2014.
Dieser Satz ist ein Paradoxon. Und zwar ein besonders hinterlistiges. Denn wenn die Behauptung der Lüge gelogen ist, dann umkreist der Satz eine Wahrheit, oder nicht? Wegen Gedankenirrwegen wie diesen zählt die Formulierung zu den absoluten Lieblingssätzen von Robert Gwisdek. Dass der Realitätsrüttler aus Berlin nicht nur philosophische Hip-Hop-Miniaturen beherrscht, sondern auch in der Königsdisziplin Roman eine formidable Figur macht, bekräftigt er mit seinem irrwitzigen Debüt „Der unsichtbare Apfel“.
Darin präsentiert der 30-Jährige einen Jungen, der sich Igor nennt (in dem Namen seines Protagonisten sollten die 1 und die 0 sowie die Initialen des Autors enthalten sein); ein Wunderkind, das Kreise liebt und die Endlichkeit anzweifelt. Mit Wortwucht und schelmischer Freude am Experimentieren schildert Gwisdek Igors Reise aus der Realität, die wir normal nennen; spinnt eine Geschichte mit Perspektiven- und Weltenwechseln, die gespickt ist mit Rätseln und Symbolen. „Der unsichtbare Apfel“ ist eine Parabel auf das reine Bewusstsein, auf die Überwindung von Gedanken und Formen. Dass der Autor seinem wahnsinnigen Ritt eine scheinbare Lüge als Intro voranstellt, passt exzellent ins Konzept. Zumal er im zweiten Intro auf der nächsten Seite das Gegenteil nachreicht: „Dieser Satz ist wahr.“ Zur (kurzzeitigen) Entspannung des Lesers präsentiert er uns einen offiziellen ersten Satz, der vergleichsweise harmlos daherkommt: „Igor war ein unkonzentriertes Kind.“
Hier geht’s zum Interview, das ich mit Robert Gwisdek für die SZ geführt habe.
Kaiser Franzobel
“Beim Elfmeter denken Tormann und Schütze, dass der jeweils andere denkt, er selber denkt, dass der andere denkt, er denkt, der andere denkt, er denkt, und so weiter, und auch wenn der Tormann nachdenkt und feststellt, dass man beim Nachdenken nur dem hinterher denkt, was andere schon gedacht haben, er folglich gar nicht denkt und dennoch völlig gedankenlos ins richtige Eck fliegt, kann es sein, dass der hirnlose Ball trotzdem an ihm vorbeigeht, weil sich Tausende Zuschauer fest aufs Tor konzentriert haben.“
Franzobel: „Gedankenspiele“, in: Franzobels großer Fußballtest (2008). Picus Verlag, 2008.
Mit der Kraft der Gedanken, die der ausgezeichnete Österreicher in diesem Aufsatz dribbelstark koordiniert, verhält es sich wie mit der Kraft der Worte. Sie ist physisch nicht messbar, doch allein der Glaube daran kann einen euphorisieren wie das entscheidende Tor in der Nachspielzeit. Als Fan der österreichischen Nationalmannschaft hat Franzobel, eigentlich Franz Stefan Griebl, nichts nicht viel zu lachen. Als satzgelenkiger Schriftsteller sehr wohl, wie man an der weltmeisterlichen Wortstafette erkennen kann, mit der er selbst Kaiser Franz schwindelig spielen dürfte.
Und überhaupt: Wer, wenn nicht er, wäre prädestinierter, über Fußball zu schreiben? Laut eigenen Angaben wurde er am Tag des Lattenpendlers in Wembley gezeugt, und sein Pseudonym entstand aus dem Ergebnis des Spiels Frankreich gegen Belgien: Fran2:0Bel.
Paradiesische Parabel
„Unsere Aufgabe besteht darin, bewusst und mit offenen Augen auf einen weiseren, freieren und strahlenderen Zustand hinzusteuern, ins Paradies zurückzukehren, Freundschaft mit der Schlange zu schließen und unsere Computer zwischen wilden Apfelbäumen aufzustellen.“
Tom Robbins: „Was ist der Sinn des Lebens?“, in: Chop Suey (2005). Rowohl, 2007.
Tom Robbins, Jahrgang 1932, ist der Gottvater der Metapher, der König der ungekrönten Vergleiche, der Lehrmeister der Phantasie, der Schöpfer der Wortschöpfung, der Erstplatzierte der ersten Sätze, der Erfinder der Kreativitätstheorie. Die wilden Romane des US-Amerikaners sind Sex, Philosophie, Lebensfreude. Unterhaltung, Religion, Politik. Und immer Inspiration für alle, die schreiben. Er ist der Maßstab der Erzählkunst. Er ist Literatur. Punkt. Hatten wir schon, macht aber nix. Punkt.
PS: Der Offenbarungssatz stammt aus Tom Robbins‘ Textesammlung „Chop Suey“. Ein Lesebuch, das Kritiken, Reisebeschreibungen, Würdigungen und Antworten auf all die Fragen enthält.