Risse zur Erleuchtung
„There’s a crack in everything, that’s how the light gets in.“
Leonard Cohen: „Anthem“, auf: The Future (1992).
Einen Weisheitssatz wie diesen in ein Liedlein zu packen, ist eine dumme kühne Idee. Zu leicht wird er überhört, zu wenig darüber nachgedacht. Aber was soll er machen, der Leonard Cohen? Die Ursprünge seines Schaffens liegen im Schreiben, er war Dichter und Schriftsteller, bevor er sich in der Musik verlor. Als Singer-Songwriter bringt Cohen beides zusammen: gehaltvolle Gedanken und markante Melodien. Da zieren Zeilen seine zerrissenen Folksongs, von denen musenresistente Kollegen ihr Leben lang träumen. Sätze wie dieser: „I’ve seen the future, it’s a murder.“
Was die Sache mit dem Riss und dem Licht betrifft, so sei dies durchaus ein fröhlicher Gedanke, erklärte der Kanadier in einem Interview, allerdings nur für jene, die imstande sind, die Wahrheit zu genießen. Die Wahrheit, dass alles Irdische einmal zerbricht, um dem Neuen den Weg zu bahnen. Wer kennt schon die Liebe, dessen Herz noch nie gebrochen wurde? Und ist es nicht Enttäuschung, die häufig zur Erkenntnis führt? Wer länger darüber nachdenkt, was zwischen den Worten alles schlummert, der verpasst den Song. Das ist der Preis für gute Texte: Sie sind Einladungen zum Gedankentanz zu einer flüchtigen Musik.
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