Lob für Lodge

„Der hochgewachsene Mann mit grauem Haar und Brille, der am Rand der Menge im Hauptraum der Galerie steht und sich tief zu der jungen Frau in der roten Seidenbluse hinunterbeugt, den Kopf zur Seite geneigt, weise nickend und hin und wieder phatisch murmelnd, ist nicht, wie man denken könnte, ein Priester außer Dienst, den sie dazu überreden konnte, ihr inmitten einer Party die Beichte abzunehmen, oder ein Psychiater, dem sie eine kostenlose Beratung abgeschwatzt hat; Zweck der Übung ist es auch nicht, ihm einen besseren Einblick in ihr Dekolleté zu verschaffen, obgleich das ein willkommener – leider auch der einzige – Bonus ist, der in seiner derzeitigen Situation für ihn herausspringt.“

David Lodge: Wie bitte? (2008). Heyne, 2010.

Wie bitte? Das soll ein Satz sein? In der Tat: Der Einstieg in David Lodges gleichnamigen Roman schlängelt sich an allerlei Satzzeichen vorbei – Kommas, Semikolons, Gedankenstriche -, ehe der erlösende Punkt erreicht ist. Erlösend ist freilich relativ, denn eine Qual ist der Satz nicht, und wenn, dann eine schöne. Lodge, Jahrgang 1935, versteht es meisterlich und rhythmisch sauber, allerlei Köder auszulegen und seidenblusenschlüpfrige Reizworte einzustreuen, während er seine lebenskluge Geschichte über die Leiden des schwerhörigen Linguistikprofessors Desmond Bates beginnt.

Später wird der Leser erfahren, dass es nicht der allwissende Erzähler ist, der hier auftrumpft, sondern die Hauptfigur selbst, die einige ihrer Erlebnisse in distanzierter Form skizziert, um literarisch in Form zu bleiben. Das bedeutet Lesefreude auf mehreren Ebenen. Lob für Lodge, den Meister des britischen Universitätsromans.

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