Da ist etwas im Wiebusch

„Von den verbitterten Idioten nicht verbittern lassen.“
Kettcar: „Den Revolver entsichern“ auf „Ich Vs. Wir“ (2017)

„Das Beste ist immer der Feind des Guten.“
Kettcar: „Auf den billigen Plätzen“ auf „Ich Vs. Wir“ (2017)

„Keine einfache Lösung haben, ist keine Schwäche /
Die komplexe Welt anerkennen, keine Schwäche /
Und einfach mal die Fresse halten, ist keine Schwäche /
Nicht zu allem eine Meinung haben, keine Schwäche.“
Kettcar: „Den Revolver entsichern“, auf „Ich Vs. Wir“ (2017)

„Wenn du das Radio ausmachst, wird die Scheißmusik auch nicht besser.“
Kettcar: „Trostbrücke Süd“ auf „Ich Vs. Wir“ (2017)

Ein Pop-Album mit Haltung und Zeilen zum Niederknien. Zum Nachdenken, Nachbeten und Nachahmen. Und mit einem Song, der im früheren Leben Kurzgeschichte gewesen sein muss. Das alles passiert ungefähr so häufig wie, eben, eine Platte von Kettcar. Die erste seit fünf Jahren ist eine inhaltliche, musikalische und sprachliche Wucht. Die reifste Mango am Baum der Songwriter-Erkenntnis, um nicht zu sagen: Irgendwas ist da im Wiebusch …     

„Sommer ‚89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)“ heißt das empathische Kernstück von „Ich vs. Wir“, ebenjene Kurzgeschichte über einen Fluchthelfer vor der Wende, die im Kontext des albumprägenden Masse-versus-Individuum-Überbaus spielend in die angsterfüllten Merkel-Jahre übertragen werden kann und soll. Wie Marcus Wiebusch den Text erzählt, nicht singend, nicht rappend, eher bühnenpoetisch rezitierend, rhythmisch zum antreibenden Beat, ist ein fettes Ausrufezeichen. Seht her, uns gibt es noch. Und wir haben was zu sagen. Ohne Zeigefinger und Kitsch, mit Emotion und der Wucht des Rock.

(Mehr? Hier geht’s zur Konzertkritik zum Album, die ich für die SZ geschrieben habe).