Suchergebnisse für: wolf haas

Der Wolf im Haas-Pelz

„Meine Großmutter hat immer zu mir gesagt, wenn du einmal stirbst, muss man das Maul extra erschlagen.“

Wolf Haas: Der Brenner und der liebe Gott (2009). Hoffmann und Campe, 2009.

Wolf Haas, Jahrgang 1960, ist ein Meister des kreativen Erzählens, und ob du es glaubst oder nicht, aber der Österreicher hat einen ganz eigenen Stil gefunden. Leser-Duzer Hilfsausdruck. Berühmt gemacht haben Haas seine Brenner-Krimis, deren berühmter erster Satz so berühmt ist, dass ihn ein jeder Krimifreund auswendig dahersagen kann.

Als zum siebten Mal schon wieder was passiert ist, schenkt er uns eine neue Eröffnung (siehe oben). Und jetzt pass auf, die hat es in sich, weil das Plappermaul von Erzähler ja eigentlich im sechsten Band gestorben ist. Irgendwie dann aber doch nicht, wie sich in „Der Brenner und der liebe Gott“ herausstellt. Und im Interview, das ich einmal mit ebenjenem Erzähler führen durfte, machte er ebenfalls einen kreuzfidelen Eindruck. Überschäumend Hilfsausdruck. Über den Haas hatte er auch was zu berichten: Der sei, ob du es glaubst oder nicht, „ein blasses Bürscherl, das viel vor dem Computer sitzt. Und ein Interview nach dem anderen, das kann auch nicht gesund sein. Ich sage, so ein junger Mensch sollte auch einmal hinaus gehen, Sport, Mädchen, alles. Aber bitte, das muss er  selber wissen.“

Jetzt ist schon wieder Haas passiert

„Jetzt ist schon wieder was passiert.“

Wolf Haas: Der Knochenmann (1997). Rowohlt, 2006.

Wolf Haas, Jahrgang 1960, ist ein Meister des kreativen Erzählens, und ob du es glaubst oder nicht, aber der Österreicher hat einen ganz eigenen Stil gefunden. Leser-Duzer Hilfsausdruck. Berühmt gemacht haben Haas seine Brenner-Krimis, deren berühmter erster Satz vor allem deshalb so berühmt ist, weil er so unverschämt leicht daherkommt. Gleichzeitig lastet alles auf ihm: die Neugier, was genau wem passiert ist; die Spannung, welche Folgen das hat; der Wissensdurst, wer der Informant ist, der offensichtlich schon bei früheren Ereignissen Augenzeuge war.

Als zum siebten Mal schon wieder was passiert ist, schenkt uns der Autor eine neue Eröffnung. Und jetzt pass auf, die hat es ebenfalls in sich, weil das Plappermaul von Erzähler ja eigentlich im sechsten Band gestorben ist. Irgendwie dann aber doch nicht, wie sich in „Der Brenner und der liebe Gott“ herausstellt. Und im Interview, das ich einmal mit ebenjenem Erzähler führen durfte, machte er ebenfalls einen kreuzfidelen Eindruck. Überschäumend Hilfsausdruck. Über den Haas hatte er auch was zu berichten: Der sei, ob du es glaubst oder nicht, „ein blasses Bürscherl, das viel vor dem Computer sitzt. Und ein Interview nach dem anderen, das kann auch nicht gesund sein. Ich sage, so ein junger Mensch sollte auch einmal hinaus gehen, Sport, Mädchen, alles. Aber bitte, das muss er  selber wissen.“

Lieblingsbücher 2022

Subjektiv. Unvollständig. Ehrlich. Hier die persönliche Top Ten meiner Lieblingsbücher 2022. Einige Autorinnen und Autoren sind bereits im Museum der schönen Sätze vertreten, andere werden folgen. Lesenswert sind sie alle. Sätze wie Bücher.

Books22

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Lieblingsbücher 2018

Subjektiv. Unvollständig. Ehrlich. Hier die persönliche Top Ten meiner Lieblingsbücher, die ich 2018 gelesen habe. Einige davon haben es mit ihren ersten Sätzen ins Museum der schönen Sätze geschafft. Lesenswert sind sie alle. Sätze wie Bücher. Bonus: mein Fazit der Tom-Robbins-Festspiele „Robbins Reloaded 17/18“.

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Lieblingssätze in der Journalisten-Werkstatt

Hurra, die geschätzten Kollegen mögen Lieblingssaetze.de! Für das Heft „Journalisten Werkstatt – Wie Sätze wirken II“ (liegt unter anderem dem Medium Magazin bei) durfte ich meine Liebe zum ersten Satz ergründen und das Museum der schönen Sätze vorstellen. Für eine Würdigung der hübschesten Wörterminiaturen im vergangenen Jahr war ebenfalls noch Platz.  Weiterlesen

Liebe zum ersten Satz

Ich liebe erste Sätze, denn sie können nicht lügen. Selbst wenn sie eine Lüge verbreiten, verrät das Wie ihren Wesenskern.

Bernhard Blöchl, der Betreiber des Museums der schönen Sätze, über den Zauber hübscher Wörterminiaturen

Ein schlechter erster Satz ist wie ein luschiger Händedruck. Keine Lust auf mehr, und tschüss! Nichts ist spannender, folgenschwerer und schwieriger als die ersten Wörter einer Geschichte. Im besten Fall spiegelt sich darin alles wider, das große Ganze, Sound und Haltung des Erzählers. Im schlechtesten Fall zeigt der Autor, wie gewöhnlich, schlampig oder uninspiriert er seine Story aufzieht. Natürlich entscheiden darüber nicht ausschließlich die ersten Wörter. Aber sie erledigen nun mal den Job des Türöffners, und vor diesem Job habe ich großen Respekt.

blc3b6_blogIch weiß nicht genau, wann das anfing. Für starke erste Sätze hatte ich schon eine Schwäche, als ich im Studium Axel Hacke nacheiferte und unbedingt Journalist werden wollte. Ich erinnere mich daran, wie ich Romane allein nach dem ersten Satz gekauft oder liegengelassen, Artikel danach verschlungen oder weggeblättert habe. Ich liebe erste Sätze, denn sie können nicht lügen. Selbst wenn sie eine Lüge verbreiten, verrät das Wie ihren Wesenskern. Gibt Einblick ins Autorenherz. Irgendwann entdeckte ich die Meister der Disziplin, und aus der Begeisterung wurde ein Fetisch. Danke, Wolf Haas („Jetzt ist schon wieder was passiert.“), danke, Heinrich Steinfest („Ihre Beine waren zu dick.“), danke, Tom Robbins („Es heißt, Tanuki hätte seinen Hodensack als Fallschirm benutzt, als er vom Himmel fiel.“). Danke, Boyle, Hornby, Nabokov, Hesse. Danke, Kafka, Austen, und wie sie alle heißen. Seit ich weiß, welche Wucht vor allem ein erster Satz haben kann, bin ich süchtig nach Sätzen.

Ich verfolge damit kein Ziel, es ist vielmehr ein sprachlicher Work-out sowie ein Inspirationsquell für mich und alle anderen, die Sprache lieben

Seit Sommer 2011 sammle und kommentiere ich sie auf Lieblingssaetze.de. Gnadenlos subjektiv, mitunter gönne ich mir längere Pausen, nie fehlt das Schwärmen. Aus der Uridee, befeuert durch die Neugier des Bloggens, ist ein Museum der schönen Sätze gewachsen, das auch Songzeilen und Fundstücken Platz bietet und die Favoriten der Leser präsentiert. Ich verfolge damit kein Ziel, es ist vielmehr ein sprachlicher Work-out sowie ein Inspirationsquell für mich und alle anderen, die Sprache lieben, das Motto: „Zur Sache, Sätzchen!“ Autorenkollegen schreiben mir, wie gerne sie sich hier anregen lassen, Journalisten holen sich Impulse auf der zugehörigen Facebook-Seite oder Twitter, Zeitschriften wie das „Bücher-Magazin“ oder die „Federwelt“ empfehlen das Museum weiter. Oliver Uschmann, ein befreundeter Musikjournalist und Romanautor („Hartmut und ich“-Reihe), übertreibt schamlos, wenn er mir öffentlich schmeichelt: „Einer der besten und unterhaltsamsten Blogs des Landes.“

MM PrintAber zurück zum Wesenskern. Was macht nun einen guten ersten Satz aus? Die Sammlung zeigt: Es gibt solche und solche gute erste Sätze. Hübsche Miniaturen, die auf unterschiedliche Weise faszinieren. Die einen punkten durch Skurrilität: „Harold glaubte, nach Mutters Tod erbe er die Villa und erhänge sich zweimal die Woche in der Vorhalle.” (Einzlkind: „Harold“). Andere durch dramatische Schönheit: „Ich verliebte mich in den Fußball, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden.” (Nick Hornby: „Fever Pitch“). Wieder andere durch phantasievollen Witz: „Während die meisten jungen Schotten seines Alters Röcke lüpften, Furchen pflügten und die Saat aussäten, stellte Mungo Park dem Emir von Ludamar, Al-Hadsch’ Ali Ibn Fatoudi, seine bloßen Hinterbacken zur Schau.“ (T.C. Boyle: „Wassermusik“).

Es gibt Eröffnungen, die erstrecken sich über scheinbar viel zu viele Zeilen, und trotzdem bleibt man gebannt, weil der Rhythmus exzellent gesetzt, jedes Wort wichtig, und überhaupt alles so formvollendet schön ist, dass man gerne vor Neid erblasst (Claudius Seidl, Hermann Hesse, David Lodge). Andere begnügen sich mit einem einzigen Wort, so zum Beispiel Heinrich Steinfest, der Schelm, der seinen Roman „Der Allesforscher“ tatsächlich mit „Oha!“ eröffnet. Hammer! Eines haben alle Sätze gemein: Sie stechen heraus, machen unbedingt neugierig, sind Einladungen zum Weiterlesen, die nur ausschlagen kann, wem Sprache nichts bedeutet.

Deshalb bin ich fest davon überzeugt: Alle Texter sollten nach der Kunst des ersten Satzes streben – Songwriter, Journalisten, Schriftsteller sowieso. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sich Journalisten im Alltagsdruck nicht den Luxus leisten können, stundenlang an den Eröffnungsworten zu feilen. Aber die Mühe lohnt sich, und auch journalistische Texte lassen sich mit einem Oha-Erlebnis einleiten, mit einer wassermusikalischen Melodie, mit einer beindicken Frechheit. Gerade in Zeiten, in denen die Leser mehr denn je am Drücker sind, erscheint mir das besonders wichtig. Denn lahmt ein Text gleich zu Beginn, wird er weggeklickt. Fängt er dagegen magisch an, sind die meisten verzaubert und bleiben dran. Versprochen.


Dieser Text sowie meine Würdigungen der besten Sätze des Jahres 2014 sind im Heft „Journalisten Werkstatt – Wie Sätze wirken II“ von Peter Linden erschienen. Hier kann man die Publikationen im Print- oder PDF-Format erwerben.

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Ein seitengroßes Interview über die Magie von ersten Sätzen und die Entstehung des Museums ist im Juli 2016 in der Freien Presse Chemnitz erschienen.

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Die beliebtesten Lieblingssätze 2014

Die Lieblingssätze des Jahres stehen fest. Zur Wahl standen die fünfzehn beliebtesten RomananfängeSongzeilen und Fundstücke, die es 2014 ins Museum der schönen Sätze geschafft haben. Bis zum 9. Januar 2015 haben knapp 200 Leser abgestimmt. Überraschung (oder auch nicht): Wolfgang Herrndorfs letzter erster Satz hat mit Abstand gewonnen. Herzlichen Glückwunsch. In memoriam Schreibgenie.   Weiterlesen

Lieblingsbücher 2014

Subjektiv. Unvollständig. Ehrlich. Hier die persönliche Top Ten meiner Lieblingsbücher, die ich 2014 gelesen habe. Viele davon haben es mit ihren ersten Sätzen ins Museum der schönen Sätze geschafft. Lesenswert sind sie alle. Sätze wie Bücher.

 

Books

  1. Jennifer Egan: Der größere Teil der Welt
  2. Heinrich Steinfest: Der Allesforscher
  3. Wolf Haas: Brennerova
  4. Nick Hornby: Miss Blackpool
  5. David Nicholls: Drei auf Reisen
  6. Robert Gwisdek: Der unsichtbare Apfel
  7. Richard Lorenz: Amerika-Plakate
  8. Joachim Lottmann: Endlich Kokain
  9. Wolfgang Herrndorf: Bilder deiner großen Liebe
  10. Matt Haig: Ich und die Menschen

Außer Konkurrenz, gleichwohl die größten Herzensangelegenheiten: die Buchveröffentlichungen von meiner Liebsten und mir (bzw. in diesem Jahr von Julian, der Romanfigur aus meinem Roman „Für immer Juli“):

Blaulicht im Rotlicht

„Weil du kennst als Blaulicht dein Rotlicht.“

Wolf Haas: Brennerova, Hoffmann und Campe, 2014.

Jetzt ist schon wieder nix passiert. Ob du es glaubst oder nicht, aber auch der achte Brenner-Fall kommt ohne die kultisch verehrte Eröffnung aus, die Wolf Haas in den späten Neunzigern zum Popstar unter den Krimischreibern gemacht hat. Passieren tut freilich schon etwas, viel sogar, frage nicht. Frauendilemma Hilfsausdruck. Und Lieblingssätze haut er auch wieder raus, der Leser-Duzer namens Erzähler. Da braucht man sich nur das obige Beispiel anzuschauen. Nur halt nicht ganz zu Beginn, wobei „Früher hat man gesagt, die Russinnen“ gar nicht mal so schlecht ist. Für den Anfang. Und Lieblingswörter! Jede Menge. Frauentränenumfaller. Solche Sachen. Mehr über „Brennerova“ habe ich für die SZ aufgeschrieben. Quasi Buchtipp. Und hier geht’s zu meinem Porträt über Wolf Haas, ebenfalls erschienen in der Süddeutschen Zeitung.

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Erschienen am 16. Oktober 2014 in SZ Extra, der Kulturbeilage der Süddeutschen Zeitung. Weitere Einträge zu Wolf Haas im Museum der schönen Sätze: hier.